Leitlinien für den Einsatz Künstlicher Intelligenz in der Bundesverwaltung (KI-Leitlinien)

Typ: Artikel , Schwerpunktthema: cio-bund

Die Leitlinien für den Einsatz Künstlicher Intelligenz in der Bundesverwaltung (KI-Leitlinien) setzen allgemeine Leitplanken für die Nutzung von KI in der Bundesverwaltung. Mit Leitsätzen für die Bereitstellung und den Einsatz von KI-Systemen wird ein koordiniertes Vorgehen sichergestellt, um einen verantwortungsvollen und sicheren KI-Einsatz in der Bundesverwaltung zu gewährleisten.

Die Entscheidung darüber, ob und welche KI-Systeme eingesetzt werden dürfen, obliegt der jeweiligen Behördenleitung. Diese entscheidet unter anderem vor dem Hintergrund von Informationssicherheit, Datenschutz und Geheimschutz, ob und welche KI-Systeme für dienstliche Zwecke genutzt werden dürfen.

Angesichts der rasanten technologischen Entwicklungen und des hohen Interesses innerhalb der Bundesverwaltung an der sicheren Nutzung von KI wurden diese Leitlinien entwickelt. Die Handlungsempfehlungen dienen als Orientierungshilfe und erheben nicht den Anspruch, sämtliche Bereiche umfassend und abschließend zu regeln. Vielmehr wurden relevante Bereiche zum Zeitpunkt der Erstellung des Dokuments ressortgemeinschaftlich identifiziert und priorisiert. Zudem setzt der Einsatz von KI eine umfassende Beurteilung im Einzelfall anhand des konkreten KI-Systems voraus. Hierbei können zum Beispiel Reallabore als geeignete Räume zur Unterstützung einer solchen Einzelfallprüfung dienen.

Darüber hinaus sind weitere Umsetzungsfragen zu klären, die nicht Gegenstand der vorliegenden Leitlinien sind. Innerhalb der Bundesverwaltung werden in den jeweiligen Ressorts und Behörden geeignete Governance-Strukturen für den Einsatz von KI zu etablieren sein. Hierzu werden derzeit im Rahmen der Durchführung der KI-Verordnung (KI-VO) [1] weitere Vorgaben abgestimmt. Die Einführung von KI sollte zudem frühestmöglich von einem umfassenden Konzept für die Sicherstellung nachhaltiger Veränderungen („Change-Management“) in den Ressorts und Behörden begleitet werden.

Bei der Einführung von KI-Systemen sind Rechte der Mitarbeitenden zu wahren. Dabei gelten viele bestehende Regelungen (beispielsweise zur erforderlichen Barrierefreiheit oder im Bereich des Datenschutzes) fort. Gegebenenfalls werden Dienstvereinbarungen neu zu verhandeln und Auswirkungen von KI auf den Arbeitsplatz zu bewerten sein. Interessenvertretungen der Mitarbeitenden (wie unter anderem der Hauptpersonalrat und die Schwerbehindertenvertretung) sind entsprechend frühzeitig einzubinden. Zudem ist ein Weiterqualifizierungs- oder Schulungsangebot zu schaffen, das Mitarbeitenden vor Einführung beziehungsweise Nutzung der KI-Systeme zur Verfügung steht.

Die vorliegenden KI-Leitlinien sollen den Weg ebnen, diese Prozessschritte einzuleiten und als gemeinsame Grundlage den Einsatz von KI in der Bundesverwaltung chancenorientiert zu erleichtern. Dies ist somit erst der Beginn eines längerfristigen Prozesses, der die Arbeitstätigkeit in der Bundesverwaltung massiv wandeln wird.

Es wird zukünftig notwendig bleiben, weitere Bereiche zu adressieren und Anweisungen zur praktischen Umsetzung gemeinschaftlich weiterzuentwickeln, um den sich stetig wandelnden Anforderungen gerecht zu werden. 

1.    Einleitung

Der Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) stellt eine immense Chance dar, die Verwaltung der Zukunft zu gestalten. KI kann bei adäquater Nutzung Digitalisierungspotenziale ausschöpfen und zur Modernisierung der Verwaltung beitragen. KI-Systeme können die Bundesverwaltung beispielsweise unterstützen, behördliche Aufgaben effizienter zu bearbeiten, Mitarbeitende zu entlasten und somit den Auswirkungen des demographisch bedingten Fachkräftemangels wirksam zu begegnen.

Definition: Künstliche Intelligenz

In den vorliegenden Leitlinien wird ein KI-System entsprechend Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung über Künstliche Intelligenz der EU (KI-VO) definiert als „ein maschinengestütztes System, das für einen in unterschiedlichem Grade autonomen Betrieb ausgelegt ist und das nach seiner Betriebsaufnahme anpassungsfähig sein kann und das aus den erhaltenen Eingaben für explizite oder implizite Ziele ableitet, wie Ausgaben wie etwa Vorhersagen, Inhalte, Empfehlungen oder Entscheidungen erstellt werden, die physische oder virtuelle Umgebungen beeinflussen können”. [2]

Beispiele für KI reichen von einfachen Algorithmen wie zum Beispiel „Optical Character Recognition“ zur Erkennung von Buchstaben bis zu komplexen Modellen, wie sie etwa in generativer KI eingesetzt werden. Mögliche Anwendungsfelder beinhalten Sprachassistenten, Robotik und das autonome Fahren.

KI findet im Arbeitsalltag der Mitarbeitenden der Bundesverwaltung zunehmend Anwendung. [3] Dabei stehen große Sprachmodelle, sogenannte Large Language Models, aktuell häufig im Fokus.

Anwendungsbeispiel: Große Sprachmodelle

Large Language Models (LLMs)sind künstliche neuronale Netze, die auf großen Textkorpora oder anderen Datenformaten wie Bild-, Audio- oder Videodaten (sog. multimodale Modelle)  trainiert wurden. Basierend auf generativen Modellen [4] können sie Eingaben („Prompts“) verarbeiten und entsprechende Ausgaben wie beispielsweise Texte oder Bilder erzeugen.

LLM-basierte Anwendungen sind in der Lage, eine Vielzahl von Funktionen zu erfüllen. Textgenerative LLM-Anwendungen können beispielsweise zur Erstellung von Texten (zum Beispiel von Vermerken), zur Befragung umfangreicher Dokumente („Chat with your document“) und zur Übersetzung oder der Generierung von Programmcode genutzt werden. Weitere Beispiele sind die Möglichkeiten, Inhalte zusammenzufassen oder stilistisch anzupassen (unter anderem Übersetzung in „Einfache Sprache“).

Diese Eigenschaften machen LLMs für die Automatisierung von ausgewählten Arbeitsschritten in der Verwaltung attraktiv. Zugleich bestehen Risiken bei der Nutzung von LLM-Anwendungen, beispielsweise im Hinblick auf die Korrektheit der generierten Informationen, bezogen auf den Daten- und Urheberrechtsschutz, den Geheimschutz oder die Informationssicherheit.

Als Bundesverwaltung obliegt es uns, einen solchen Einsatz von KI verantwortungsvoll zu gestalten. Auf Grund unserer hoheitlichen Aufgaben, den Konsequenzen unserer Arbeit für Bürgerinnen und Bürger sowie der Sensibilität der Daten, die wir tagtäglich verarbeiten, tragen wir eine besondere Verantwortung beim Einsatz von KI.

Die Leitlinien sollen dazu beitragen, einen chancenorientierten und verantwortungsvollen Umgang mit KI-Systemen in der Bundesverwaltung zu gewährleisten. Durch gemeinsame ethische, prozessuale und technische Standards, verbunden mit entsprechender Sensibilisierung der Nutzenden, sollen Risiken minimiert, die Priorisierung des Gemeinwohls sichergestellt und dabei das Potenzial von KI als Unterstützungswerkzeug möglichst voll ausgeschöpft werden.

In diesen Leitlinien definieren wir übergeordnete Leitprinzipien als gemeinsame Handlungsgrundlage für den KI-Einsatz in der Bundesverwaltung (Kapitel 2). Damit schafft die Bundesregierung einen wertebasierten Kompass für die Entwicklung und den Einsatz von KI. Dieser Abschnitt richtet sich an alle Mitarbeitenden der Bundesverwaltung.

Darauf aufbauend geben wir durch konkrete Leitsätze für den Einsatz und die Bereitstellung von KI-Systemen einen Rahmen vor, um einen verantwortungsvollen und sicheren Einsatz in der Bundesverwaltung zu ermöglichen (Kapitel 3). In den Leitsätzen erklären wir zielgruppenspezifische Anforderungen und Herausforderungen beim KI-Einsatz. Adressiert werden sowohl Behörden, die KI-Systeme bereitstellen beziehungsweise deren verantwortliche Organisationseinheiten (beispielsweise deren Datenlabore, Maßnahmenverantwortliche, IT-Verantwortliche) als auch alle Nutzenden solcher KI-Systeme.

Die vorliegenden KI-Leitlinien werden dabei durch geltende Standards sowie fachspezifische Vorgaben und Veröffentlichungen, beispielsweise zur Informationssicherheit [5],,zur behördlichen Praxis der Arbeits- und Sozialverwaltung [6] oder dem außenpolitischen Bereich [7] ergänzt.

2.    Wertebasierte Leitprinzipien als gemeinsame
       Handlungsgrundlage

Fünf übergeordnete Leitprinzipien dienen als Handlungsgrundlage der Bundesverwaltung bei der Entwicklung und dem Einsatz von KI. Die Prinzipien stehen im Einklang mit der Werteorientierung der KI-VO [8] und stellen eine gemeinsame Wertegrundlage für alle Mitarbeitenden der Bundesverwaltung dar.

3.    Leitsätze für den Einsatz von KI

Die folgenden Leitsätze dienen als Erläuterung zum Umgang mit Anforderungen und Herausforderungen beim KI-Einsatz. [20] Die Leitsätze sind entlang der jeweiligen Adressaten in zwei Abschnitte geteilt: Die Leitsätze A1 bis A5 richten sich an die Nutzenden von KI-Systemen. Die Leitsätze B1 bis B9 richten sich an für die Bereitstellung von KI-Systemen verantwortliche Organisationseinheiten in Behörden (beispielsweise an deren Datenlabore, Maßnahmenverantwortliche, IT-Verantwortliche).

3.1.         Leitsätze für Nutzende

Die nachfolgenden Leitsätze richten sich an alle Mitarbeitenden in der Bundesverwaltung, die KI-Systeme nutzen (im Folgenden als „Nutzende“ bezeichnet). Ziel der Leitsätze ist es, eine verantwortungsvolle Nutzung von KI durch die Darstellung von praktischen, ethischen und rechtlichen Rahmenbedingungen zu ermöglichen.

3.2.         Leitsätze für Behörden

Die nachfolgenden Leitsätze richten sich an die für die Bereitstellung von KI-Systemen verantwortlichen Organisationseinheiten in Behörden (beispielsweise an deren Datenlabore, Maßnahmenverantwortliche, IT-Verantwortliche). Ziel ist die Ermöglichung eines weitreichenden Einsatzes von KI unter Berücksichtigung des geltenden Rechtsrahmens.